Haller

Haller
Hạl|ler, der; -s, -:
Ew. zu Halle (Westf.).

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Hạller,
 
1) Albrecht von (seit 1749), schweizerischer Arzt, Naturforscher und Dichter, * Bern 16. 10. 1708, ✝ ebenda 12. 12. 1777, Großvater von 2). Haller studierte ab 1723 Medizin und Naturwissenschaften in Tübingen und Leiden. Seine Lehrer waren u. a. B. S. Albinus und H. Boerhaave. Nach Promotion (1727) und Studienaufenthalten in London, Paris und Basel (1728), wo er sich auch mit Mathematik (bei Johannes Bernoulli), Philosophie und Geschichte befasste, ließ er sich 1729 in Bern als Arzt nieder. 1736 wurde Haller Professor für Medizin und Botanik an der Universität in Göttingen. Hier begründete er eine medizinische Schule nach dem Leidener Vorbild und leitete den Aufbau des anatomischen Instituts. Haller veröffentlichte 1743-54 das berühmte Tafelwerk »Icones anatomicarum. ..« (8 Teile), in dem v. a. die Gefäßanatomie berücksichtigt war, und verfasste 1747 das bis ins 19. Jahrhundert richtungweisende Lehrbuch der Physiologie »Primae lineae physiologiae. ..«. Nachhaltig wirkten seine Untersuchungen und Interpretationen der Sensibilität und der Irritabilität bestimmter Gewebestrukturen (»De partibus corporis humani sensibilibus et irritabilibus«, 1754). Als Botaniker gründete er den Göttinger botanischen Garten, verfasste eine Monographie der schweizerischen Pflanzen und veröffentlichte Einzeluntersuchungen in der Sammlung »Opuscula botanica« (1749). Ferner war er 1751 Mitbegründer und Präsident der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen, 1745-53 Mitarbeiter der »Göttingischen Gelehrten Anzeigen«, die unter seinem Einfluss zu einem internationalen wissenschaftskritischen Organ wurden. Ab 1753 lebte Haller wieder in der Schweiz, wo er sein Hauptwerk »Elementa physiologiae corporis humani« (1757-82, 8 Bände) und die bibliographischen Werke »Bibliotheca botanica« (1771/72, 2 Bände), »Bibliotheca anatomica« (1774-77, 2 Bände), »Bibliotheca chirurgica« (1774/75, 2 Bände) und »Bibliotheca medicinae practicae« (1776-88, 4 Bände) schrieb.
 
Hallers dichterisches Frühwerk gilt als Beginn einer philosophischen Lyrik im deutschen Sprachraum. Nach dem Vorbild der »Georgica« Vergils und des Lehrgedichtes »De natura rerum« des Lukrez entstand sein erstes großes Gedicht »Die Alpen« (in: »Versuch Schweizerischer Gedichten«, 1732), in dem die Natur Anlass zu philosophischer Reflexion gibt; ein dichterisches Vorgehen, das bis zu Schillers Elegie »Der Spaziergang« beispielhaft war. Andere Gedichte wie »Über den Ursprung des Übels«, »Unvollkommenes Gedicht über die Ewigkeit« und die »Trauerode« sind religiösen, ethischen und metaphysischen Grundfragen gewidmet. In seinen Staatsromanen zeigte er Grundmodelle staatlicher Ordnung auf, so den aufgeklärten Absolutismus in »Usong. Eine orientalische Geschichte« (1771), die konstitutionelle Monarchie in »Alfred, König der Angelsachsen« (1773) und die oligarchisch-aristokratische Republik in »Fabius und Cato« (1774). - Literarisch und kulturhistorisch interessant sind sein »Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller und über sich selbst« (herausgegeben 1787, 2 Bände) und »Tagebücher seiner Reisen nach Deutschland, Holland und England 1723-1727« (herausgegeben 1883).
 
Ausgaben: Gedichte, herausgegeben von H. Maync (1923); A. von Haller u. Giambattista Morgagni. Briefwechsel 1745-1768, herausgegeben von E. Hintzsche (1964); A. von Haller u. Ignazio Somi. Briefwechsel 1754-1777, herausgegeben von demselben (1965); Tagebuch seiner Studienreise nach London, Paris, Straßburg und Basel, 1727-1728, herausgegeben von demselben (21968); Literaturkritik, herausgegeben von K. S. Guthke (1970); Die Alpen u. a. Gedichte, herausgegeben von A. Elschenbroich (Neuausgabe 1974).
 
 
H. E. Sigerist: A. v. H., in: Große Schweizer, hg. v. E. Fueter (Zürich 21941);
 S. Lunsgaard-Hansen-von Fischer: Verz. der gedruckten Schriften A. v. H.s (Bern 1959);
 K. S. Guthke: H. u. die Lit. (1962);
 
A. v. H. Zum 200. Todestag (1977);
 F. R. Kempf: A. v. H.s Ruhm als Dichter (New York 1986).
 
 2) Carl Ludwig von, schweizerischer Staatstheoretiker und Politiker, * Bern 1. 8. 1768, ✝ Solothurn 20. 5. 1854, Enkel von 1); trat nach Errichtung der Helvetischen Republik 1798 in österreichischem Dienste. 1806-17 lehrte er als Professor für Staatsrecht und vaterländische Geschichte in Bern. Nach Wiederherstellung der alten Verfassung gehörte Haller von 1814 bis zu seinem Übertritt zum Katholizismus (1820) dem Großen Rat von Bern an. Seit 1825 im französischen Außenministerium tätig, kehrte er nach der Julirevolution in die Schweiz zurück und war 1834-37 Mitglied des Großen Rats von Solothurn. - Neben L. G. A. Vicomte de Bonald und J. Comte de Maistre zählte Haller zu den bedeutendsten Staatstheoretikern seiner Zeit. Als entschiedener Gegner der Französischen Revolution stellte er in seinem Hauptwerk »Die Restauration der Staatswissenschaften« (1816-34, 6 Bände), das der Epoche (Restauration) den Namen gab, der naturrechtlichen Theorie vom Gesellschaftsvertrag eine am Vorbild Berns orientierte altständisch-patriarchalische, legitimistische Staatstheorie auf christlicher Grundlage entgegen. Sie wirkte stark auf den preußischen Konservativismus, besonders der Brüder E. L. und L. von Gerlach.
 
 3) Heinz, Finanzwissenschaftler, * Schwenningen (heute zu Villingen-Schwenningen) 19. 3. 1914; Professor in Kiel (1954-57), Heidelberg (1957-67) und Zürich (1967-81); daneben 1970-72 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten beim Bundesministerium für Finanzen (seit 1955) und beim Bundesministerium für Wirtschaft (seit 1965).
 
Werke: Typus und Gesetz in der Nationalökonomie (1950); Finanzpolitik (1957); Die Steuern (1964); Das Problem der Geldwertstabilität (1966); Zur Frage der zweckmäßigen Gestalt gemeindlicher Steuern (1987); Selten vom Glück verlassen (1992, Erinnerungen).
 
Mitherausgeber: Handbuch der Finanzwissenschaft, 4 Bände (31977-83).
 
 4) Hermann, schweizerischer Bildhauer, * Bern 24. 12. 1880, ✝ Zürich 23. 11. 1950; war nach einer Ausbildung als Maler an den Akademien in Stuttgart und München ab etwa 1905 als Bildhauer tätig. Er lebte 1903-09 v. a. in Rom, 1909-14 meist in Paris, wo ihn besonders A. Maillol beeinflusste. Seine Arbeiten, weibliche Akte in zurückhaltender Bewegung sowie Porträtköpfe, Denkmäler und Kleinplastiken, zeichnet eine nuancierte Oberflächenbehandlung aus. Haller gilt als der Begründer der modernen Plastik in der Schweiz.
 
 5) Johannes, Historiker, * Keinis (Estland) 16. 10. 1865, ✝ Tübingen 24. 12. 1947; wurde 1902 Professor in Marburg, 1904 in Gießen, 1913 in Tübingen. Haller erforschte besonders die mittelalterliche Kaiser- und Papstgeschichte (umstrittene Thesen zum Ursprung des Papsttums) und schuf in seinen »Epochen der deutschen Geschichte« (1923, viele Ausgaben) eine viel gelesene, von nationalem Pathos getragene Darstellung der deutschen Geschichte. Haller war deutschnationaler Gegner der Weimarer Republik.
 
Weitere Werke: Papsttum und Kirchenreform (1903); Das altdeutsche Kaisertum (1926); Das Papsttum, Idee und Wirklichkeit, 4 Bände (1934-45).

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Hạl|ler, der; -s, -: Ew. zu ↑Halle (Westf.).

Universal-Lexikon. 2012.

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